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Preisexplosion am Bau - Umgang mit Materialkostensteigerungen (Kopie 1)

Preisschwankungen sind seit jeher einzukalkulieren. Steigen Materialpreise aber drastisch, kann dies bei Auftragnehmern zu erheblichen Schwierigkeiten führen, wenn sie vom Auftraggeber lediglich den vertraglich vereinbarten Preis erhalten. Oftmals wird ein Nachtragsangebot an den Auftraggeber geschickt mit der Begründung, die gestiegenen Baukosten würden eine neue Preisverhandlung notwendig machen, anderenfalls könne der Auftrag nicht ausgführt werden. Wir klären, ob diese Vorgehensweise richtig ist, wie Sie sich als Rechnungsprüfer verhalten und worauf bei zukünftigen Bauverträgen zu achten ist.

Einfache, verständliche Tipps aus dem Baurecht.

Ursachenforschung

Dass der Auftragnehmer Materialpreissteigerungen nicht zu verantworten hat, dürfte klar werden, wenn uns die Ursachen am Beispiel von Holz und Dämmstoffen einmal anschauen: Eine große Profuktionsanlage fiel aus. Es kam zu Lieferengpässen benötigter Rohstoffe. Hinzu kam Anfang 2021 ein heftiger Wintereinbruch in den USA, der dazu führte, dass die Holzproduktion drastisch zurückgefahren wurde - bei zugleich starker Nachfrage aus Europa. Hier hatten es schwere Schäden am inländischen Baumbestand notwendig gemacht, Bauholz aus internationalen Märkten zu beziehen. Zeitgleich fiel China als der größte Containermarkt kurzfristig aus, somit konnten viele Produkte nicht verschifft werden. Zu allem Übel lief Ende März das 400m lange Containerschiff „Ever Given“ im Suezkanal auf Grund und brachte den Schiffsverkehr für sechs Tage auf einer der wichtigsten Handelsstraßen zum Stillstand.

Verständlich, wenn der Auftragnehmer diese unabsehbaren Risiken nicht allein schultern möchte. Hier hat er allerdings die sprichwörtliche „Rechnung ohne den Wirt gemacht“. Bei einem laufenden Bauvertrag, der keine Stoffpreisgleitklausel enthält, gilt nämlich das Prinzip der Vertragstreue.

Pacta sunt servande

Dem Bauvertrag liegt stets eine Ausführungszeit in der Zukunft zugrunde. Der Auftragnehmer hat bei Vertragsschluss die Möglichkeit, benötigte Materialien schon jetzt zu ordern – zu den aktuellen Lieferpreisen. Damit kann er das Risiko von Materialpreissteigerungen gering halten.

Es bleibt allerdings bestehen im Zeitraum zwischen Angebotsabgabe und Vertragsschluss, also während einer Angebotsbindefrist.

Ordert der Auftragnehmer das Material nicht rechtzeitig, trägt er das Risiko einer später eintretenden Preiserhöhung, weil er vertraglich an die vereinbarten Preise gebunden ist.
Verweist man den Auftragnehmer auf diese Grundsätze, kommt oftmals der Einwand, dass die Preiskalkulation auf ganz anderen Annahmen beruhte und die Preisentwicklung nicht vorhersehbar war. Hätte er dies gewusst, hätte er anders kalkuliert. Er meint den Wegfall/die Störung der Geschäftsgrundlage.

Störung der Geschäftsgrundlage

Die Grundsätze des § 313 BGB beinhalten jedoch gleich zweierlei Hürden, die der Auftragnehmer „überspringen“ muss, um auf diesem Weg zu einer Preisanpassung/Vertragsanpassung zu gelangen:

  1. Bilden die Materialpreise nach den Vorstellungen beider Parteien überhaupt die Geschäftsgrundlage?
    Das kann der Fall sein, wenn Materialbestellungen erst im Verlauf der Bauausführung ausgelöst weren können, z.B. weil der Auftraggeber erst später die Bemusterungsentscheidung trifft.
  2. Ist das Risiko von Materialpreissteigerungen vom Auftragnehmer übernommen worden und noch zumutbar?
    Da die Preisbildung und damit auch die Entwicklung der preisbildenden Umstände in den Risikobereich des Auftragnehmers fallen, können nur unvorhersehbare, erhebliche Preissteigerungen eine Vertragsapassung rechtfertigen. Dabei muss feststehen, dass eine massive Störung des Gleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung eingetreten ist und ein Festhalten am Vertrag dem Auftragnehmer nicht zugemutet werden kann.
    Preissteigerungen müssten dann nicht nur den zu erwartenden Gewinn aufgezehrt, sondern auch zu erheblichen Verlusten geführt haben.

Zwischenfazit: Führt der Auftragnehmer nur Materialpreissteigerungen zu einzelnen Leistungspositionen an, kann damit, weil der Vortrag nicht auf das finanzielle Gesamtergebnis abzielt, keine Preisanpassung nach § 313 gerechtfertigt werden.

Haftung des Architekten

Haftungsrelevant kann das Thema beim VOB/B-Vertrag werden, wenn es im Verlauf der Bauausführung zu relevanten Mengenmehrungen i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B kommt. Auf Grundlage der neuen BGH-Rechtsprechung ist auf die tatsächlich erforderlichen Kosten abzustellen, sodass der Auftragnehmer auf die bei ihm tatsächlich angefallenen gestiegenen Materialkosten verweisen kann. Ist dem Architekten eine fehlerhafte Mengenermittlung vorzuwerfen, wird sich in Zukunft die Frage einer Haftung stellen. Die sonst problematische Ermittlung des Schadens wird dem Auftraggeber keine Probleme bereiten: Dieser beläuft sich auf die Höhe der Materialkostendifferenz.

Bauvertragsgestaltung

Künftige Bauverträge werden umsichtige Auftragnehmer wohl nur bei Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel abschließen.

Bei Vergabeverfahren der öffentlichen Auftraggeber wird auf der Grundlage des Erlasses des BMI vom 21.5.2021 davon auszugehen sein, dass das Formblatt 225 des VHB in Zukunft für solche Stoffe verwendet wird, die einerseits aktuell von Preisschwankungen betroffen sind und für die andererseits im Güterverzeichnis des Statistischen Bundesamtes Indizes veröffentlicht werden.

Bei nicht-öffentlichen Bauverträgen besteht beim Einheitspreisvertrag eine einfache Möglichkeit, Materialpreisschwankungen einer für beide Seiten ausgewogenen Regelung zuzuführen.
Schritt 1: Auflisten der Materialpreise zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe. (Als Anlage zum Bauvertrag. Nur für solche, bei denen Preisschwankungen erwartet weren.)
Schritt 2: In den Vertrag eine Regelung aufnehmen, nach der im Falle von Materialpreisschwankungen von mehr als x% ein wechselseitiger Anspruch auf Erhöhung oder Absenkung der Einheitspreise der betroffenen Position besteht.
Schritt 3: Berechnungsparameter festlegen, mit denen die Mehr- oder Minderkosten durch die Höhe der Preissteigerung/-reduzierung bestimmt werden. Maßgeblich ist die Differenz zwischen den tatsächlichen Materialkosten und dem in der Anlage aufgeführten Kostenbetrag (ohne Zuschläge). Verpflichten Sie den Auftragnehmer zur Vorlage von Lieferscheinen/Rechnungen zum Nachweis der tatsächlich angefallenen Materialkosten mit der Abschlags- bzw. Schlussrechnung.

Hilfestellungen bieten Ihnen außerdem die Musterschreiben und Checklisten in der baumap-online oder die Seminare der Bauakademie Dr. Koch GmbH.

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