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Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Widerrufsrecht – Bei unterlassener Aufklärung und daraufhin erfolgtem Widerruf müssen Verbraucher nicht zahlen!
Hintergrund des Urteils des EuGH sind die EU-Regeln für sogenannte Haustürgeschäfte, also Verträge, die außerhalb der Geschäftsräume des beauftragten Unternehmens, beispielsweise in den Räumen von Verbrauchern, abgeschlossen werden. Der Verbraucher ist nach § 312 b BGB entsprechend detailliert zu belehren, dass ihm ein 14-tägiges Widerrufsrecht zusteht. Das Unternehmen muss darauf hinweisen. Ansonsten kann dem Verbraucher ein Widerrufsrecht bis zu 12 Monaten und 14 Tagen zustehen.
Der EuGH hat dieses Widerrufsrecht in seinem Urteil enorm ausgeweitet und somit die Rechte der Verbraucher mit weitreichenden Konsequenzen gestärkt.
Ein Vertrag kann nun laut dem EuGH – bei Fehlen der vorherigen Aufklärung über das Widerrufsrecht – auch dann noch widerrufen werden, wenn die vom Auftragnehmer (AN) geschuldete Leistung bereits erbracht wurde. Als Konsequenz entfällt aber jegliche Zahlungspflicht des Verbrauchers. Dem AN verbleiben bezüglich entstandener Kosten keine Vergütungs- / bzw. Wertersatzansprüche.
Einfache, verständliche Tipps aus dem Baurecht.
Mit Urteil vom 17.05.2023 (Az.: C-97-22) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass bei unterbliebener Belehrung über das Widerrufsrecht bei einem Verbrauchervertrag – außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen – der Verbraucher nach Widerruf des Vertrages bereits vom AN erbrachte Leistungen nicht bezahlen muss. Vorliegend wurde ein Handwerksbetrieb (AN) von einem Verbraucher (AG) – mündlich und außerhalb von Geschäftsräumen – mit Elektroinstallationsarbeiten beauftragt. Der Verbraucher wude seitens des AN nicht über das Widerrufsrecht belehrt. Nach Erbringung der vertraglich vereinbarten Leistungen rechnete der AN entsprechend ab, der AG verweigert allerdings die Zahlung. Der AG widerrief stattdessen den Vertrag. Ein Anspruch auf Vergütung würde nach dessen Ansicht somit nicht mehr bestehen. Das Landgericht (LG) Essen, das sich mit dem Fall zunächst befasst hat, entschied zugunsten des AN. Das LG befasste sich allerdings mit der Frage, ob der AG nicht Wertersatz an den AN leisten müsste, da ansonsten das Verbot ungerecht-fertigter Bereicherung unterlaufen würde. Deshalb wurde der Rechtsstreit seitens des LG an den EuGH verwiesen. Das LG wollte in Erfahrung bringen, ob Art. 14 Abs. 5 der Verbraucherschutzrichtlinie (RL 2011/83) so auszulegen sei, dass der Verbraucher, der nach Vertragserfüllung widerruft tatsächlich nichts bezahlen muss, wenn das Unternehmen es versäumt hat, ihn über das Widerrufsrecht zu belehren. Der EuGH entschied zugunsten des AG. Der enstprechende Leitsatz des EuGH lautet wie folgt:„Art. 14 Abs. 4 a i und Art. 14 Abs. 5 Richtlinie 2011/83/EU sind dahin auszulegen, dass sie einen Verbraucher von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreien, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags erbracht wurden, wenn ihm der betreffende Unternehmer die Informationen gem. Art. 14 Abs. 4 a i Richtlinie 2011/83/EU nicht übermittelt hat und der Verbraucher sein Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt hat.“ Der EuGH begründet dies damit, dass das Widerrufsrecht den Verbraucher im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vertrages schützen soll. Dies gilt vor allem dann, wenn der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wird. Denn in diesen Situationen steht der Verbraucher gegebenenfalls psychisch wesentlch stärker unter Druck oder wird mit dem Vertragsabschluss überrascht. Dabei ist es entscheidend, dass der Verbraucher die Information über das ihm zustehende Widerrufsrecht erhält. Erst nach dieser Unterrichtung kann er die Entscheidung über einen Vertragsschluss in Kenntnis der gesamten Sachlage treffen.
Für den Verbraucher dürfen nach Sinn und Zweck der Richtlinie keine Kosten entstehen, auch kein Wertersatz. Bei unterlassener Widerrufsbelehrung muss der AG das Verlustrisiko tragen. Im Vordergrund stehe der Verbraucherschutz. Der könne aber nur dann greifen, wenn der Verbraucher tatsächlich über sein Widerrufsrecht informiert sei. Könnten für den Verbraucher Kosten entstehen, obwohl dieser nicht über seine Rechte aufgeklärt worden sei, wäre das eine Gefahr für das hohe gesetzlich verankerte Verbraucherschutzniveau. Ein Wertersatz des Verbrauchers in diesem Fall, sei mit der Verbraucherschutzrichtlinie nicht vereinbar. Hier müsse der AG als Unternehmer die Verantwortung tragen. Dasselbe gelte nach Ansicht des EuGH für den Einwand der ungerecht-fertigten Bereicherung. Dieser werde am Ende vom Verbraucherschutzgedanken der Richtlinie überschattet.
Als Fazit ist zwingend zu empfehlen, dass Architekten, Ingenieure und Bauunternehmer beim Abschluss von Verträgen außerhalb deren Geschäftsräume mit Verbrauchern (siehe § 13 BGB) zwingend darauf achten müssen, eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung vorzunehmen. Ansonsten sind die vom EuGH aufgezeigten weitreichenden Folgen des vollständigen Vergütungsverlusts trotz Leistung vom AN zu tragen. Das Urteil des EuGH ist allerdings für Verbraucher-bauverträge i.S.d. § 650i BGB nicht relevant, weil der der Entscheidung zugrunde liegende Art. 14 der RiL 2011/83/EU auf Verträge über den Bau von neuen Gebäuden oder über erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden keine Anwendung findet!
Eine Vorlage für eine entsprechende „Widerrufsbelehrung“ finden Sie auf unserer Internetseite www.baumap-online.de mit dem Mustertext M 207. Diese Belehrung kann bereits mit dem „Merkblatt für Bauherren“, Mustertext M 135, beigefügt werden.
Wiesbaden, 05.07.2023
Sven Bach Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Bau- und Architektenrecht Ständiger Referent der Bauakademie Dr. Koch GmbH und bei Inhouse-Seminaren
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